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Vom jüdischen Witz zum Judenwitz

45,30

Luis Kaplan

 

Originalsprache: Englisch
2021, Hardcover, zahlr. Abb., 300 Seiten
Die Andere Bibliothek, Band 439
AB – Die Andere Bibliothek
978-3-8477-0439-3

 

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Eine Kunst wird entwendet

Louis Kaplan bestellt ein vielfach umgepflügtes Feld, das spätestens seit Sigmund Freuds Behandlung des jüdischen Witzes in seiner Studie Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten von 1905 zu einer regelrechten Wissenschaft geworden ist:

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschien eine ganze Reihe von mal philosophischen, mal psychoanalytischen, mal soziologischen Abhandlungen, die allesamt zum Ziel hatten, den Zauber oder Gehalt dessen zu erklären, was den Schreibern Rätsel aufgab: das »vielgestaltige Wesen des jüdischen Witzes«.

 

Diesen kulturhistorischen, politisch-literarischen und geistesgeschichtlichen Verwicklungen geht Kaplan nach. Er erzählt eine vor allem jüdisch-deutsche Geschichte von Assimilation und Ausgrenzung, Emanzipation und Übernahme kultureller »Codes« und nicht zuletzt vom Antisemitismus, der an der unbestimmten Grenze zwischen »jüdischem Witz« und »Judenwitz« wuchs und gedieh.

 

Das 19. Jahrhundert und das erste Drittel des 20. Jahrhunderts sind in deutschsprachigen Ländern voll von Witzbüchern, Kabarettstücken und ganzen Vaudeville-Programmen, die eine je unterschiedliche Art dessen vorstellen, was als »jüdischer« Schalk und Scherz vorgestellt – oder dafürgehalten worden ist. Der Vorwurf an die Adresse der jüdischen Schwank- und Witzerzähler lautete zu jeder Epoche gleich: dass sie nämlich mit ihren selbstironischen oder gegen sich und andere Juden gerichteten Späßen den Antisemiten Waffen an die Hand gäben. Noch in den 1960er-Jahren entbrannte um das Erfolgsbuch Der jüdische Witz von Salcia Landmann eine öffentliche Kontroverse um die Frage, ob Landmanns Anthologie nicht in plumpester Weise antisemitische Klischees reproduziere.

 

Der Geschichte des Antisemitismus in Deutschland und Europa zum Trotz haben sich die verschiedenen Varianten jüdischer Komik ihre Widerständigkeit bewahrt: In ihren modernen Formen in der Populärkultur unserer Tage (etwa den filmischen Husarenstücken von Sacha Baron Cohen oder Jon Stewarts The Daily Show) erkennt Kaplan die bittere Ironie jüdischer Witzbücher aus den 1920er-Jahren wieder – wie auch der zeitgenössische jüdische Humor in den USA ein wichtiger Bezugspunkt des Buches ist.

 

Im chronologischen Fortschreiten durch sein üppiges Material (neben Texten vor allem Bilder und Karikaturen) ordnet Kaplan uns das Wissen um eine Kulturtechnik, die so nur unter den Bedingungen der Diaspora entstehen konnte.

In sechs Kapiteln besieht Kaplan die Weimarer und die österreichische Republik (1918–1933), das Dritte Reich (1933–1945) und die Zeit nach der Shoah (1945–1964) und präsentiert uns zentrale Texte und Schlüsselstellen in der Geschichte jüdisch-deutschen Kulturtransfers.

 

Louis Kaplan ist Professor für Geschichte und Fotografie- und Medientheorie an der University of Toronto.

Er ist Autor zahlreicher Bücher, etwa über László Moholy-Nagy und den „Seelenfotografen“ William Mumler. Zuletzt erschien von ihm auf Englisch „Photography and Humour“ (2017).

 

Pressestimmen

„So ist das Buch alles andere als eine Witzsammlung – Kaplan erzählt keine Witze und vermeidet es konsequent, aus seinem Thema humoristisches Kapital zu schlagen. Dafür bietet das Buch eine subtile sprachliche und psychologische Analyse des jüdischen Witzes als Mittel der Selbsterhaltung und der Trauerarbeit und auch als identitätsstufendes Element.“
Stefana Sabin, 05.01.2022

 

„Kaplans gut recherchierte Studie kommt zur richtigen Zeit. Die deutsche Rezeptionsgeschichte des jüdischen Witzes bietet Einblicke in Mechanismen, vor denen wir uns hüten sollten.“
Jakob Hessing, Tagesspiegel, 08.12.2021

 

„Es ist keine Humorsammlung, vielmehr eine tieftraurige Aufarbeitung der Entwicklung vom lustigen jüdischen Witz im 19. Jahrhundert über den lächerlich machenden Judenwitz in der Nazizeit bis hin zum Antisemitismus der Trump-Ära. Es ist die minutiös dargelegte Geschichte eines Diebstahls.“
Daniel Arnet, SonntagsBlick, 14.11.2021

 

„Kaplan begibt sich in sechs Kapiteln auf die Spur dieses ambivalenten Sprechakts, der auch unter dem Stichwort „jüdischer Selbsthass“ subsumiert wird. Jedes Kapitel wirft ein Schlaglicht auf einen Akteur, der, auf dem schmalen Grat zwischen jüdischer Selbstironie und Antisemitismus balancierend, seine ganz persönlichen Schlüsse gezogen hatte.“
Alexandra Wach, FAZ, 09.11.2021

 

„Kaplans Buch schärft den Blick für die Absurditäten in der Geschichte des jüdischen Witzes und dafür, welchen Sprengstoff er birgt. Diese Geschichte kommt einem bei der Lektüre nicht selten selbst wie ein durchaus erhellender Witz vor.“
Tobias Lehmkuhl, Deutschlandfunk, 08.08.2021

 

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